Charttechnischer Doppelschlag
Es bedarf also nur einer sehr geringen Umorientierung von relativ wenigen Anlagegeldern, um in einem so extrem engen Markt wie dem Silber ein Kursfeuerwerk auszulösen. Latent lagen diese Themen in den ganzen letzten Jahren vor. Es bedurfte allerdings eines äußeren Anlasses, um das totgesagte, totgeschriebene und letztlich auch totgeglaubte Edelmetall wieder zum Leben zu erwecken. Den lieferte nun die Charttechnik mit dem Bruch des seit dem Jahr 2011 gültigen Abwärtstrends (vgl. Abb., oberer Teil – blaue Abwärtstrendlinie). Dabei wurde gleichzeitig noch die Nackenlinie einer unteren Schulter-Kopf-Schulter-Umkehrformation überzeugend gebrochen (vgl. Abb., oberer Teil – grüne SKS-Formation). Diese gegenseitige Bestätigung verschiedener Chartformationen – ein charttechnischer Doppelschlag, wenn man so will – dürfte erheblich zur jüngst beobachtbaren Dynamik beigetragen haben.
Dennoch zeigt die langfristige Betrachtung, dass – gemessen an der eigenen, höchst volatilen Historie – praktisch noch kaum etwas im Silber passiert ist. Schon von daher ist noch weiteres, erhebliches Potenzial vorhanden. Das sieht man auch im unteren Teil des Charts, der die relative Entwicklung gegenüber Gold abbildet. Erstmals seit Jahren konnte sich Silber wieder nennenswert besser entwickeln als der „große Bruder“. Dort zeigt sich aber noch ein weiteres Phänomen. Wie in den letzten Jahren verlor Silber auch in den Jahren 2008 bis Mitte 2010 relativ an Boden – nicht dramatisch, aber kontinuierlich. Als dieser relative Abwärtstrend dann gebrochen wurde, kam es zu einer fast explosionsartigen Aufwärtsbewegung (vgl. Abb., unterer Teil, grüne Markierungen).
Mögliche Verschnaufpause?
Ein kleiner Wermutstropfen bleibt jedoch, die massive Widerstandslinie im Bereich von 18,50 USD (vgl. Chart, oberer Teil – rote Waagrechte). Spätestens hier sollte eine Verschnaufpause angesagt sein. Dies nicht etwa, weil sich mit dem Erreichen dieser Marke Nennenswertes an den eingangs beschriebenen Verhältnissen geändert hätte, sondern eher, weil solche Marken ein gefundenes Fressen für Bärenangriffe sind. Bei der so kurzzeitig erzeugten Panik werden dann die „schwachen Hände“ aus dem Markt geschüttelt. Der frische Aufwärtstrend wäre durch derartige taktische Überlegungen jedoch in keiner Weise gefährdet – im Gegenteil, solche Dips in jungen Trends bieten eine der besten Nachkaufmöglichkeiten. Sollte eine Korrektur an der Marke ausbleiben, dann wäre dies ein Zeichen für eine geradezu herkulische Stärke des Silbers.
Tragfähiger Boden
Warum wir den aktuellen Aufschwung bei Silber für die Trendwende halten, erklärt vor allem ein Blick auf die Charts der Silberaktien, etwa unseres Musterdepotwerts First Majestic Silver. Während bei früheren Ausbruchsversuchen die Silberaktien zwar stiegen, aber rasch wieder in sich zusammenfielen, hat sich die Aktie diesmal vom Tief inzwischen mehr als verdreifacht – ein Gutteil davon bereits vor dem jüngsten Ausbruch. Hier fließen gerade also definitiv größere Anlagegelder in den Sektor (s.o.). Auch der einflussreiche „The Casey Report“ von Doug Casey stößt in das gleiche Horn: „Now that silver’s bottom is in, we expect that run will begin soon. … And we expect silver to climb much higher than $20/oz.” (“Jetzt wo Silber seinen Boden gefunden hat, erwarten wir, dass der Run bald beginnt … Und wir erwarten, dass Silber viel höher steigen wird als 20 USD/Feinunze.”)
Wenig Neues aus dem EZB-Tower
Am diesem Donnerstag um 14.30 Uhr ist es wieder so weit. Maro Draghi, einer der Urheber und Garanten der aktuellen Liquiditätshausse, wird erneut vor die Presse treten und die Beschlüsse der zuvor stattfindenden EZB-Ratssitzung bekanntgeben. Zwar dürfte es keine vergleichbaren Maßnahmen wie im März geben, als Draghi das monatliche Anleihen-Ankaufvolumen auf 80 Mrd. EUR erhöhte, vielmehr dürfte es um die verbale Bestätigung des eingeschlagenen Kurses gehen. Und was dies betrifft dürfte Draghi liefern, was die Märkte sich erhoffen. Manche Marktteilnehmer erwarten auch eine Konkretisierung der Pläne zum Ankauf von Unternehmensanleihen. Hier könnte Draghi z.B. das mögliche Volumen benennen. In Summe umfasst der Markt für Unternehmensanleihen mit Investment Grade in der Eurozone rund 500 Mrd. EUR. Ginge die Zentralbank mit einem ähnlichen Eifer ans Werk wie bei den Staatsanleihen, hätte sie diesen Markt daher wohl bald „leergekauft“.
Damit würde eine weitere Anlageklasse quasi „vom Markt genommen“. Doch die Probleme gehen über das pure Volumen hinaus. Denn welche Titel wird die Zentralbank kaufen und wodurch will sie sicherstellen, dass sie nicht verzerrend in den Marktmechanismus eingreift? Kaum vorstellbar ist dagegen, dass diese Maßnahme Draghi seinem Inflationsziel von 2% p.a. näherbringt. Mit dem Irrsinn am Anleihemarkt und der immer deutlicher werdenden Blasenbildung werden wir uns auch im nächsten Smart Investor intensiv beschäftigen. Daneben wird sich Draghi morgen wohl vor allem Fragen zu seiner Aussage zum Helikopter-Geld gefallen lassen müssen. Schließlich hatte er dies in seiner letzten Pressekonferenz im März als „sehr interessantes Konzept“ bezeichnet. Auch hierzu könnte es morgen eine weitere Konkretisierung geben. Für die Aktienmärkte ist angesichts solcher Aussagen fürs Erste kaum Gegenwind zu erwarten.
Fazit
Wenn Unmengen an Geld auf einen winzigen Markt treffen, dann schnallen Sie sich gut fest und lassen Sie sich auch durch kleinere Korrekturen nicht aus Ihren Positionen schütteln. Denn die erste Stufe der „silbernen Rakete“ hat gezündet.
Ralph Malisch, Christoph Karl
Quelle: Smart Investor