Unbestritten ist, dass sich der Lebensstandard großer Teile der Bevölkerung insbesondere in Griechenland, aber auch in Spanien und Portugal durch die Sparmaßnahmen deutlich verschlechtert hat. Extrem hoch und damit sehr explosiv ist die Jugendarbeitslosigkeit. Dagegen ist bei uns in Deutschland von tatsächlichen Auswirkungen auf die Menschen wenig zu spüren, obwohl die staatliche Ausgabenpolitik inzwischen auch hier kontrovers diskutiert wird. Deutlicher denn je zeigt sich in Europa, dass sich die Länder gegenläufig entwickeln.
Umso wichtiger ist eine Haushaltsführung, mit der die Politik das Vertrauen der Kapitalmärkte wieder zurückzugewinnen kann. Ansonsten bekommen nicht nur die Griechen, sondern auch die Euro-Schwergewichte Spanien, Italien und Frankreich größere Probleme, ihre Staatsanleihen zu akzeptablen Zinssätzen zu platzieren. Folge wäre eine weitere Quersubventionierung kriselnder Staaten durch immer größere Rettungsschirme. Das aber würde den politischen und wirtschaftlichen Zusammenhalt in Europa gefährden. Ebenfalls keine Alternative zur soliden Haushaltsführung wäre die Defizitfinanzierung via Notenpresse der Europäischen Zentralbank. Dies würde die ohnehin schon latent vorhandene Inflationsgefahr weiter verschärfen und außerdem die bestehenden Probleme nicht lösen, sondern lediglich in die Zukunft verschieben.
Die europäische Politik sollte daher geschlossen für einen Kurs der Haushaltskonsolidierung werben, statt mit Blick auf die nächsten Wahlen populistische Vorurteile zu bedienen. Das derzeitige Opfer der Bürger ist der Preis für die Fehler der Vergangenheit und notwendig, um die Wirtschaft künftig wieder auf die Beine zu stellen. So bitter die Medizin sein mag: Konsolidierung der öffentlichen Haushalte durch eine intelligente Ausgaben- und Steuerpolitik verbunden mit notwendigen Strukturreformen ist Grundvoraussetzung für wirtschaftliches Wachstum in allen europäischen Staaten.
Im Falle Griechenlands ist allerdings fraglich, ob die Möglichkeiten und der politische Wille hierzu überhaupt vorhanden sind. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Aktienmärkte mit deutlichen Kursrückgängen auf die derzeitigen politischen Entwicklungen reagieren. Damit ist die Euphorie vom Jahresanfang - der DAX konnte um fast 20 Prozent zulegen - erst einmal vorbei.
Trotz oder gerade wegen der großen Ungewissheit geht weiterhin kein Weg an der Aktie vorbei. Zum einen ist sie weitgehend alternativlos, da eine Erhöhung der Zinsen durch die Zentralbanken erst einmal nicht absehbar ist. Die realen Renditen, d.h. unter Berücksichtigung der Inflationsrate, auf Tagesgeld oder Bundesanleihen dürften im günstigsten Fall gegen Null tendieren. Höhere Renditen gibt es nur bei einem entsprechenden Risiko. Darüber hinaus sind Aktien als Substanzwerte in der langen Frist weitgehend resistent gegenüber ansteigenden Verbraucherpreisen.
Prof. Dr. Rüdiger von Rosen ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Aktieninstituts e.V. in Frankfurt a.M.
Quelle: Deutsches Aktieninstitut