Die Asienkrise (1997/1998)

Nach massiven Wirtschaftszuwächsen galt Asien Mitte der neunziger Jahre als das Wachstumszentrum der Welt. Dabei stand aber nicht Japan im Mittelpunkt, das immer noch mit den Folgen der Krise von 1990/91 kämpfte, sondern vielmehr die als Tigerstaaten bekannt gewordene Länder in Südost-Asien. Doch 1997/1998 beendete eine schlimme Krise die Expansion dieser Region schlagartig und führte die Welt an den Rande einer Weltwirtschaftskrise.

Kursverlauf des Nikkei während der Asienkrise

Wachstumsraten zwischen 5 und knapp 9 Prozent im jährlichen Durchschnitt von 1990 bis 1996 hatten Ländern wie Hong Kong, Indonesien, Malaysia, den Philipinen, Singapur, Südkorea, Taiwan, Thailand und mit Einschränkungen auch China (da noch kommunistischer Staat) den Titel Tigerstaaten eingebracht. Die im Vergleich äußerst billigen Arbeitskräfte in der Region hatten dazu geführt, dass vor allem europäische und japanische Unternehmen immer mehr Fertigungen in diese Region auslagerten, um so ihre Lohnkosten senken zu können. Doch obwohl diese Staaten nach außen durchaus gesunde wirtschaftliche Daten aufwiesen (lebhaften Wirtschaftswachstum, sinkende Inflation, hohe Sparquoten und z.T. öffentlicher Haushaltsüberschuß), bauten sich hinter der Fassade ernsthafte Probleme auf.

Viele Währungen dieser Länder waren künstlich an den US-Dollar angebunden. Gleichzeitig wurden unzählige Immobilien und Wertpapiere auf Kredit gekauft, wobei die Kreditvergabe sehr großzügig gehandhabt wurde. Zudem schossen Investitionsprojekte im allgemein herrschenden Optimismus weit über ein realistisches Ziel hinaus. Doch 1996 nahm davon noch niemand Notiz. Im Gegenteil - auch europäische Banken wollten einen Teil vom Goldschatz, unterschätzten aber das Risiko der Tigerstaaten. Ab 1996 liefen die europäischen (und hier insbesonderer die deutschen) Banken sogar Japans Finanzinstituten den Rang als größter Geldgeber Südostasiens ab. Allein an Südkorea vergaben Banken wie die WestLB, die Deutsche Bank, Commerzbank oder Dresdner Bank bis Mitte 1997 Darlehen in Höhe von über 6 Mrd. Euro. Bis Mitte 1997 flossen nach Schätzungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel (BIZ) Kredite in Höhe von 389,4 Mrd. Dollar nach Asien. Während sich amerikanische Institute dabei weitgehend zurückhielten, teilten sich vor allem deutsche und japanische Banken diese Summe untereinander auf.

Doch obwohl der Boom vorerst ungebrochen anhielt, gab es ab Mitte der Neunziger bereits erste deutliche Indizen für ein baldiges Ende der Aufwärtsbewegung. So spiegelten die Wechselkurse in Asien immer weniger die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse wider. Die immer stärkere US-Wirtschaft machte es den kleinen Ländern zunehmend schwerer mit der Weltmacht Schritt zu halten. Dennoch hielten Länder wie Südkorea ihre Währung weiter unverändert fest an den Dollar gekoppelt. Viele ausländischen Kreditgeber verzichteten deswegen auf eine eigene Wechselkursabsicherung bei ihren Geschäften.

Krise in Asien breitet sich nahezu unbemerkt aus


Nahezu unbemerkt begann die Krise sich auszubreiten. Bereits seit Ende 1996 war der thailändische Aktienindex SET in einen Abwärtstrend gefallen. Auslöser war der Preisverfall am Halbleitermarkt, der die Zweifel schürte, dass das Land seine Leistungsbilanzdefizite durchhalten könne. Die Probleme in der Wirtschaft des Landes wurden immer größer und führten schließlich am 2. Juli 1997 dazu, dass die thailändische Notenbank den Kurs der Landeswährung freigab. Der Baht stürzte daraufhin innerhalb von kürzester Zeit um 18 Prozent gegenüber dem Dollar. Doch viele ausländische Spekulaten nutzten die nun günstigen thailändischen Aktien und investierten weiter in den angeschlagenen Markt. Durch die Abwertung waren jedoch die Auslandsschulden der thailändischen Unternehmen sprunghaft angewachsen. Zwar versuchte die Bank of Thailand durch Stützungskredite für die in Schwierigkeiten geratenen Finanzierungsgesellschaften und Unternehmen den drohenden Kollaps abzuwenden, doch die Kugel war ins Rollen geraten und lies sich nicht mehr aufhalten.

Kurze Zeit nach der Baht-Abwertung wurden Stützungskäufe für die malaysische und philippinische Währung bekannt. Dies führt dazu, dass auch andere Währungen wie der Singapur- oder der Hong-Kong-Dollar unter Druck gerieten. Ausländische Finanzinstitute zogen nun immer mehr der meistens nur kurzfristig gewährten Kredite zurück. Der Geldabzug verschlimmerte die Situation allerdings noch weiter. Viele Banken und Unternehmen der Tigerstaaten konnten ihre Fremdwährungsverpflichtungen nun nicht mehr erfüllen. Die Folge waren massenhafte Konkurse und Zahlungseinstellungen. Das Ausland hatte damit eine große Menge fauler Kredite zu verkraften. Sogar Großkonzerne wie die koreanische Automobil-Holding Kia Motors waren betroffen, die nur durch ein umfangreiches staatliches Hilfsprogramm in letzter Sekunde vor dem Zusammenbruch bewahrt werden konnte. Berge von Auslandsschulden lähmten nun die Wirtschaft der Tigerstaaten - so hatte Thailand beispielsweise 90 Mrd US-Dollar und Indonesien 113 Milliarden Dollar Schulden im Ausland.

Kursverlauf des SET während der Asienkrise

Die Entwicklung war natürlich auch an den Börsen zu spüren. Primär waren die Tigerstaaten betroffen. Vom koreanischen SE Composite Price Index über den malaysischen Kuala Lumpur Composite Price Idex und den philippinischen Jakarta SE Composite Price Index bis hin zum Tawain SE 100 Price Index oder dem Singapore Straits Times Price Index - alle Indizes mussten ab Sommer 1997 starke Kurssrückgängen hinnehmen. Als letzten Tigerstaat erwischte es schließlich auch Hong Kong. Dort büsste der Hang Seng zwischen Anfang August 1997 und Januar 1998 mehr als die Hälfte seines Wertes ein.

Kursverlauf des Hang Seng während der Asienkrise Die genauen Daten des Crash 1997/98 können der folgenden Tabelle entnommen werden:

Index Höchstkurs (Datum) Tiefstkurs (Datum) +/-
SET (Thailand) 1412,61 (02.02.96) 207,65 (03.09.98) -85,30%
Korea Composite Index 842,28 (14.10.96) 280,00 (16.06.98) -66,76%
KLSE (Malaysia) 1265,37 (26.02.97) 286,20 (02.09.98) -77,38%
Taiwan Weighted Index 10116,84 (26.08.97) 5474,79 (05.02.99) -45,88%
Jakarta SE (Indonesien) 742,09 (09.07.97) 256,06 (22.09.98) -65,49%
Hang Seng (Hong Kong) 16673,30 (07.08.97) 6660,42 (13.08.98) -60,05%
Nikkei-225 (Japan) 20679,00 (25.06.97) 12880,00 (09.10.98) -37,67%
Zum Vergleich:
DAX 30 6186,09 (20.07.98) 3861,89 (08.10.98) -37,57%
DOW JONES 9338,00 (17.07.98) 7539,10 (31.08.98) -19,26%

Der Traum vom starken Wachstum war vorbei. Nur durch Eingreifen des internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, die mehrere große Hilfspakete für die Region beschlossen, konnte ein weiteres Absinken der Wirtschaft verhindert werden. So reagierte die Weltbank auf die Krise in Asien mit den höchsten Kreditzusagen (28,6 Milliarden Dollar) ihrer Geschichte. Dennoch wuchs die soziale Not in den südostasiatischen Staaten. Mehrere Millionen Menschen verloren durch die Krise ihren Job. So verdoppelte sich die Arbeitslosenrate allein in Indonesien von rund fünf (1996) auf fast zehn Prozent (1998). In Südkorea waren im Mai 1998 über 1,5 Millionen oder rund sieben Prozent der Bevölkerung ohne Arbeit. Thailand, das vor der Krise die Vollbeschäftigung erreicht hatte, verzeichnete Ende 1997 wieder rund 1,2 Millionen bzw. 3,4 Prozent Arbeitslose mit steigender Tendenz. Doch auch die Industriestaaten waren durch den Verfall in Südostasien betroffen. So senkten die Turbulenzen das Wirtschaftswachstum der Industriestaaten im Jahr 1997 um durchschnittlich 0,3 und 1998 sogar um 0,9 Prozentpunkte. Besonders betroffen war dabei das bereits angeschlagene Japan, dem ein erneuter Rückfall in die Rezession drohte. Der japanische Nikkei verlor zwischen Juli 1997 und Oktober 1998 über 7.000 Punkte bzw. fast 40 Prozent.

Auch Russland von Asienkrise betroffen


Auch Russland wurde durch die Asienkrise in Mitleidenschaft gezogen. 1997 war die russische Wirtschaft erstmals seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wieder leicht gewachsen. Wirtschaftsprognosen gingen von einer weiteren Steigerung der Wachstumsraten aus, wodurch die russische Börse sich 1997 verdoppeln konnte. Doch ab Oktober 1997 fielen auch hier plötzlich die Kurse in den Keller. Der Grund lag in der Asienkrise, da viele Anleger ihre in 1996 und 1997 erzielten Gewinne glattstellten, um so die Verluste in Asien kompensieren zu können. Gleichzeitig wuchs die Skepsis der Anleger in die Emerging Markets, was auch einen weiteren Kapitalabzug aus Russland zur Folge hatte. Die Probleme der russischen Wirtschaft wurden zudem noch durch das immense Haushaltsloch, den niedrigen Rohölpreis und die gesundheitlichen Probleme des Präsidenten Jelzin überschattet. Bis Mitte 1998 verlor der russische Aktienmarkt so fast vier Fünftel seines Wertes.

Wie schon in Asien versuchte der Westen und der IWF auch in Russland unterstützend einzugreifen und gewährte im Juli 1998 zunächst Kredite in Höhe von 22,6 Milliarden US Dollar und wenig später weitere 4,8 Milliarden US Dollar. Doch diese Hilfe kam zu spät. Am 17. August 1998 musste der Wechselkurs des stark unter Druck stehenden Rubel freigegeben werden. Es folgte eine Abwertung der russischen Währung um über 50%, was die gesamte russische Wirtschaft kollabieren lies. Russland wurde zahlungsunfähig und musste ein einseitiges Drei-Monats-Moratorium für die Bedienung ausländischer Kredite erklären.

Einige Experten sahen die Welt damals schon am Rande einer neuen Weltwirtschaftskrise. Doch dann sorgte eine beispiellose Hausse in den Industrieländern für eine Ende der Rezessionsangst. Von den Emerging Marktes enttäuscht versuchten viele Anleger ihr Glück in den heimischen Märkten der Industrieländer. Der Run auf Internet- und Technologiewerte ging 1998/1999 in seine heiße Phase.


P.S.: Kennen Sie bereits den „Leitfaden für Ihr Vermögen“? Ob Jung oder Alt, ob Börseneinsteiger oder Börsenprofi, für zigtausende Anleger gilt der „Leitfaden für Ihr Vermögen“ (300 DIN-A4-Seiten) mittlerweile als Pflichtlektüre, wenn es um Vermögensaufbau und Vermögensschutz mit Champions-Aktien geht. Hier gratis anfordern...

zurück zur Übersicht | nächster Artikel