Die Krise um die Second Bank of America (1819/1820)

Während Europa in den Jahren 1815 und 1816 unter einer Depression zu leiden hatte, konnte die Wirtschaft in Amerika seit dem Ende des englisch-amerikanischen Krieges im Jahr 1814 starke Zuwächse verbuchen. Doch mehrere Faktoren lösten schon wenige Jahre später die erste große Wirtschaftskrise der noch jungen Vereinigten Staaten von Amerika aus.

Am 4. Juli 1776 hatten sich die 13 im Kontinentalkongreß zusammengeschlossenen Kolonien in Philadelphia mit der Unabhängigkeitserklärung von Großbritannien losgesagt. Zunächst musste der junge Staat allerdings noch im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg für seine internationale Anerkennung kämpfen. Am 3. August 1783 erkannte schließlich auch der ehemalige Kolonialherr England Amerika als souveränen Staat an. In den folgenden Jahren weitete der junge Staat sein Territorium ständig weiter aus. So erwarben die Vereinigten Staaten im Jahr 1803 von Frankreich, das das Geld dringend für die Feldzüge Napoelons benötigte, Ost-Louisiana und New Orleans für 15 Mio. Dollar. Damit verdoppelte sich praktisch über Nacht die Fläche der United States. Der für den Kauf nötige Millionenkredit wurde dem amerikanischen Staat von den beiden britischen Banken Barings und Hopes gewährt. Die langfristigen Schulden sollten in den Jahren 1818 bis 1821 zurückgezahlt werden.

Kriegserklärung an Großbritannien

Am 18.Juni 1812 erklärte der Kongress auf Ersuchen des Präsidenten James Madison Großbritannien den Krieg. Beide Seiten konnten zwar kleinere Siege für sich entscheiden, jedoch blieb eine endgültige Entscheidung aus. Britisch-amerikanische Friedensverhandlungen in Belgien führten schließlich im Dezember 1814 zum Ewigen Frieden von Gent. Dennoch hatte diese oft als zweiter Unabhängigkeitskrieg bezeichnete Auseinandersetzung für die Vereinigten Staaten Vorteile, da sie nun endgültig international als unabhängiger Staat anerkannt wurden. Viele Sorgen, mit denen die junge Republik seit ihrer Gründung 1776 zu kämpfen hatte, lösten sich mit dem Friedensschluss in Luft auf. Das durch die Bedrohung von außen gestärkte Nationalbewußtsein schweißte die Bevölkerung zu einer Einheit zusammen. Zwischen Freiheit und Ordnung herrschte Gleichgewicht und auch die Staatsschuld war nur unbedeutend. Unerschlossene Länder im Westen versprachen Reichtum. Die Aussicht auf Frieden, Wohlstand und sozialen Fortschritt schürte zu jener Zeit eine Aufbruchsstimmung in der Bevölkerung.

Abschottung als Lösung

Die Entbehrungen der Kriegszeit hatten gezeigt, wie wichtig die Unabhängigkeit der amerikanischen Industrie war. Nach der politischen sollte deswegen nun auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Landes folgen. Doch der jungen Industrie drohte das gleiche Schicksal wie vielen europäischen Staaten, wo billige Massenimporte aus England die einheimischen Industrien nahezu zum Erliegen gebracht hatten. Immer mehr englische Waren trafen in den Häfen der Ostküste ein. Dies brachte die einheimische Industrie auf die Barrikaden. Schafzüchter in Vermont und Ohio forderten eine Reduzierung der englischen Wolleinfuhr. Die Sackleinen-Industrie in Kentucky, die einheimischen Hanf für den Bedarf der Baumwollplantagen verarbeitete, verlangte Schutz von der schottischen Konkurrenz. Pittsburgh, zu diesem Zeitpunkt bereits ein Mittelpunkt der amerikanischen Eisengiesserei, wollte Unterstützung, um weitere Marktanteile des bis dato von der britischen und schwedischen Eisenindustrie beherrschten Marktes zu erobern. Die inländischen Forderungen nach einem besseren Schutz der amerikanischen Wirtschaft sowie die negativen Auswirkungen des übermäßigen Exportes britischer Erzeugnisse in Europa veranlasste den Kongreß schließlich im Jahr 1816 eine drastische Erhöhung der Zölle für ausländische Waren zu beschließen. Neben diesem gesetzlichen Schutz der inländischen Industrie, förderte auch der Ausbau der Straßen und Kanäle das Erstarken der amerikanischen Wirtschaft.

Der darauf folgende raketenhafte Aufstieg der US-Wirtschaft, führte auch zur Gründung der bekanntesten Börse der Welt, der New York Stock Exchange. Am 17. Mai 1792 war in New York eine Vereinbarung zwischen 24 Händler getroffen worden, untereinander Handel mit Wertpapieren zu führen. Der Boom ab 1816 machte bald eine strengere Regulierung dieser lockeren ersten Zusammenkünfte nötig und so wurde am 8. März 1817 das New York Stock & Exchange Board gegründet. Im gleichen Jahr zog die NYSE in einen gemieteten Raum in der Wall Street ein.

Doch mit dem rasanten Handelswachstum wurde gleichzeitig der Grundstock für die massive Krise der Jahre 1819/1820 gelegt. Nach dem zweiten Unabhängigkeitskrieg gab es keine amerikanische Zentralbank mehr, da die "Bank of the United Sates" im Jahr 1811 die Konzession verloren hatte. Diese erste Bank war am 25. Februar 1791 mit der Unterzeichnung des Gesetzentwurfes durch Präsident George Washington gegründet worden. Zu den Aufgaben dieser ersten Nationalbank zählten u.a. das Einziehen von Steuern und Abgaben, die Koordination und Vereinfachung der Zahlungen des Bundes, die Einräumung von Krediten sowie die vorsichtige Vergrößerung der im Umlauf befindlichen Geldmenge. Doch obwohl die Bank bis 1811 neben dem Hauptsitz in Philadelphia über acht Zweigstellen verfügte, fand sich im US-Kongreß keine Mehrheit, die die 20-jährige Konzession verlängerte. Somit fehlte nach dem Krieg eine Regulierungsstelle, die den aufkeimenden Boom durch eine geeignete Geldpolitik in geordnete Bahnen lenkte. Statt dessen vergrößerten viele kleinere Staatsbanken die Geldmenge durch die Herausgabe neuer Geldscheine. Problematisch daran war, dass dieses Papiergeld, nach der Aufhebung der Absicherung der Geldscheine mit Münzwährung oder Gold im Jahr 1814, praktisch keine Sicherheit aufwies. Doch noch hielt die boomende Wirtschaft dieses System am Leben.

Aufgrund der massiv gewachsenen Geldmenge und der drohenden Inflation beschloss der Kongreß schließlich im Jahr 1816 eine neue Nationalbank zu schaffen, die sich der Probleme annehmen sollte. Damals erhoffte sich die Regierung durch diese Bank eine baldige Wiederherstellung der Umwandelbarkeit des Papiergeldes sowie das Ende der exzessiven Herausgabe von Papiergeld der anderen Banken. Am 7. Januar 1817 nahm die Second Bank of the United States schießlich den Geschäftsbetrieb auf. Doch anstatt die Situation zu regulieren, verschlimmerte die neue Nationalbank die Lage nur. Daran war insbesondere ein schlechtes und korruptes Management Schuld. So taten es die Zweigniederlassungen der Bank im Süden und Westen den dortigen Staatsbanken gleich und gaben weiter hohe Kredite heraus. Zudem hatten die meisten Miteigentümer der Bank offenbar das eigene Wohl mehr im Auge als das des Landes. Spekulationen mit riskanten Objekten, Betrügereien, Bestechungsgelder und Korruption waren an der Tagesordnung. Schuldscheine wurden als Mittel zur Bezahlung von Aktien akzeptiert, Wertpapiere auf verschiedene Namen registriert, um das Gesetz zu umgehend, das die Konzentration von Wertpapierbesitz einschränkte. Kredite wurden durch Bankanteile gesichert oder sogar gänzlich ohne Sicherheiten genehmigt und die großzügige Überziehung von Konten gestattet.

Doch dies allein war nicht der Auslöser der Panik. Mehrere Faktoren spielten bei der folgenen Talfahrt ebenfalls eine wichtige Rolle. Der Boom hatte im Jahr 1817 seinen Höhepunkt überschritten. In diesem Jahr hatte der Kongreß eine Gesetzesklausel abgesegnet, die die Bezahlung von Land nur gegen harte Währung (Münzen oder Gold) erlaubte. Allerdings wurde das Hartgeld in dieser Zeit bereits streng gehortet. Wenn es nur irgendwie ging, wurde mit Papiergeld bezahlt. In der Folge ging die Nachfrage nach Land massiv zurück. Auch die stark gestiegenen Preise anderer Produkte - ob für Baumwolle oder Lebensmittel - begannen langsam zu bröckeln. Dies führte bei der vor allem auf Krediten aufgebauten Wirtschaft schon bald zu ernsten Problemen. Immer mehr Schuldner konnten die fälligen Rückzahlungen aufgrund der nunmehr geringeren Einnahmen nicht leisten. Zudem hatte die Second Bank 1818 offiziell eine Verminderung der Kreditvergabe beschlossen, um die Inflation zu drosseln. Waren vorher bereits immer weniger Gläubiger bereit gewesen, neue Kredite zu vergeben oder auslaufende zu stunden, so konnten die bestehenden Schulden nun nicht mehr durch die Aufnahme neuer Kredite getilgt werden. In der Folge stürzte das auf Krediten aufgebaute Wirtschaftswachstum wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Zusätzlich drohte ab 1818 die erste Teil-Rückzahlung des Lousiana-Kaufs aus dem Jahr 1803. Da auch hier mit Münzgeld und Gold bezahlt werden musste, gab die Second Bank ihren Filialen den Auftrag, die von ihr gehaltenen Guthaben und Wechsel bei den staatlichen Banken einzulösen. Insgesamt musste die Bank für die erste Rückzahlungsrate 4 Mio. Dollar zusammenbekommen. Durch den Abfluß des Goldes nach Europa, war nun noch weniger Deckung für das Papiergeld vorhanden. Im Gegenzug versuchten einige Staaten das Geld durch eine neue Steuer auf die Filialen der Second Bank wieder zurückzubekommen, doch verweigerte die Second Bank diese Zahlungen und gewann den darauf folgenden Prozeß vor dem obersten Gerichtshof.

Dies alles schürte die Unsicherheit in der Bevölkerung und führte letztendlich Ende 1818 zum Crash. Keiner wollte mehr in die Länder im Westen investieren. Fast jede Branche und jedes Produkt war von dem massiven Preisverfall betroffen. Die rückläufige Nachfrage verschärfte die Konkurrenz im Inland und bald trat - trotz der hohen Schutzzölle - die ersten Welle von Firmenpleiten auf. Dadurch stieg wiederrum die Anzahl der Arbeitslosen unaufhörlich. 1819/1820 - auf dem Höhepunkt der Krise - hatten sich die Preise für Agrarprodukte gegenüber den Jahren 1809/1810 halbiert. Im Staat New York fielen die Immobilienpreise von 315 Millionen $ (1818) auf 256 Millionen Dollar (1820). In Richmond halbierten sich die Immoblilienwerte sogar. In Pennsylvania brachen die Preise für Land von 150 $ pro Morgen im Jahr 1815 auf 35 $ im Jahr 1819 ein. In Philadelphia wurden 1808 Personen in den Schuldturm gesteckt, in Boston sogar 3500. Auch die Kurse der wenigen Aktiengesellschaften an der NYSE fielen ins Bodenlose. In New York zählte die "Society for the Prevention of Pauperism" 1819 rund 8000 Bedürftigte bei einer Gesamtzahl von 120.000 Einwohnern. Im Folgejahr stiegt die Zahl auf 13.000. Allein in New York, Philadelphia und Baltimore waren rund 50.000 Menschen arbeitslos. Die Gesamtzahl aller Arbeitlosen in den Vereinigten Staaten soll damals eine halbe Million Menschen betragen haben. Matthew Carey, ein Wirtschaftsexperte aus Philadelphia, schätzte sogar, das 3 Millionen Menschen, also ein Drittel der nationalen Bevölkerung, nachhaltig von der Krise betroffen waren.

Die Panik entfesselte einen Sturm der Entrüstung in der Öffentlichkeit. Viele Schuldner forderten umgehende Änderungen der Gesetze, um eine Stundung der Schulden oder die Abschaffung der Schuldgefängnisse zu erreichen. Interessengemeinschaften der Fabrikanten verlangten einen noch besseren Schutz vor den ausländischen Billigimporten. Eine große Anzahl der vor allem von der Landwirtschaft lebenden Südstaaten forderte dagegen die Herabsetzung der Schutzzölle, da sie, anders als die industrialisierten Nordstaaten, auf Importe von Waren und Sklaven angewiesen waren. Nach ihrer Ansicht waren die hohen Kosten für importierte Waren sowie der daraus resultierende geringe Warenfluß im internationalen Handel die Wurzeln der Probleme. Der junge Staat war in eine schwere wirtschaftliche und politische Krise gestürzt worden.

Erst im Jahr 1823 entspannte sich die Lage wieder. Dennoch hinterließ die Panik einen bleibenden Eindruck in der amerikanischen Politik und Wirtschaft. Die schweren Jahre führten zu Forderungen einer demokratischen Staatskonstitution und einem Ende der Restriktionen bei den Wahlen und den Amtsinhabern. Gleichzeitig erhöhte sie die Feindseiligkeit gegenüber Banken und anderen mächtigen Gesellschaften bzw. Monopolisten. Zudem hatte die Panik die Spannungen innerhalb der Regierung verschärft und einen Keil zwischen die Nord- und Südstaaten geschoben. Dennoch dauerte es über 15 Jahre bevor die USA wieder durch eine Finanzkrise erschüttert wurde.


P.S.: Kennen Sie bereits den „Leitfaden für Ihr Vermögen“? Ob Jung oder Alt, ob Börseneinsteiger oder Börsenprofi, für zigtausende Anleger gilt der „Leitfaden für Ihr Vermögen“ (300 DIN-A4-Seiten) mittlerweile als Pflichtlektüre, wenn es um Vermögensaufbau und Vermögensschutz mit Champions-Aktien geht. Hier gratis anfordern...

zurück zur Übersicht | nächster Artikel