Kontinentalblockade des Festlandes und Great Panic in England (1806-1811)

Wie schon einige Jahre zuvor in Hamburg, so verursachten die politischen Veränderungen wenige Jahre später erneut eine Wirtschaftskrise in ganz Europa. Während das Festland unter den Folgen Napoleons Kontinentalblockade zu Leiden hatte, war England im Jahr 1811 der Schauplatz einer "great panic".

Anfang des 19. Jahrhunderts war die politischen Situation in Europa verworren, so dass es immer wieder zu neuen Konflikten kam. Im Zentrum dieser Machtkämpfe standen Napoleon Bonaparte, der sich Anfang des 19. Jahrhunderts auf dem Höhepunkt seiner Karriere befand sowie das britische Königreich als Hauptfeind Frankreichs. Der Auslöser für die Krise der Jahre 1809-1811 war die Errichtung der Kontinentalsperre durch Napoleon im Jahr 1806. Eingeleitet wurde die Blockade nach dem Sieg über Preußen und Sachsen in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 mit dem Dekret von Berlin am 21. November 1806. Das Dekret verbot allen neutralen Festlandstaaten sowie den französischen Alliierten den Handel mit Großbritannien.

Die Folgen für Europa waren verheerend. Napoleon bezweckte mit dem Handelsverbot für alle britische Industrieprodukte und Kolonialwaren sowie der Unterbindung der Getreideexporte nach England den Hauptgegner in die Knie zu zwingen. Allerdings schadete die Blockade zunächst den Verbündeten Frankreichs mehr als dem eigentlichen Gegner. Um eine möglichst große Effizenz des Systems zu gewährleisten, unterlagen nämlich nicht nur englische Erzeugnisse dem Einfuhr-Verbot, auch kontinental-europäische Produkte, die den englischen stark ähnelten - wie z.B. Textilien und Stahlwaren - wurden von den französischen Zöllnern konfisziert, sobald sie in den französischen Einflußbereich gelangten. Der bisher rege Handel mit Waren nach England oder in die Vereinigten Staaten kam somit fast gänzlich zum Erliegen und die Preise schossen in die Höhe. Zwar sorgte ein reger Schmuggel zwischen England und dem Festland für eine gewisse Grundversorgung, jedoch konnten die Schmuggler-Boote die unterbrochenen wirtschaftlichen Beziehungen nur zu einem geringen Teil kompensieren.

Napoleon reagiert mit dem Dekret von Mailand

Im Jahr 1807 schloss sich schließlich auch Russland der französischen Sperre an und beendete die Handelsbeziehungen mit dem britischen Empire. Doch Großbritannien sah dem französischen Handelsboykott nicht tatenlos zu, sondern überfiel im September des gleichen Jahres mit einer Flotte Kopenhagen und kaperte die dänische Flotte, um Dänemark so am Beitritt zur französischen Kontinentalblockade zu hindern. Mit einer Weisung vom November 1807 blockierten die Briten schließlich ihrerseits alle französischen und von Frankreich kontrollierten Häfen und verbot Schiffen aller neutralen Länder französische Häfen oder Häfen der mit Frankreich verbündeten Länder anzufahren. Napoleon erließ daraufhin das Dekret von Mailand (Dezember 1807), wodurch alle Schiffe, die von einem britischen Zollschiff durchsucht worden seien, Häfen in Großbritannien angelaufen oder der britischen Regierung Zoll gezahlt hätten, ungeachtet ihrer Nationalität als britische Schiffe zu behandeln waren. Als einziges Land auf dem Kontinent weigerte sich Portugal, das mit England verbündet war, der Blockade beizutreten. Um den Kontinent unter Kontrolle zu haben entschloss sich Frankreich wenig später zur Besetzung Portugals. Als die übermächtigen Truppen Napoleons in Portugal einmarschierten, flohen der portugiesische König Joâo VI. und seine Familie mit der Unterstützung Englands nach Rio de Janeiro.

Dort leitete der geflohene König tiefgreifende wirtschaftliche und politische Reformen ein und öffnete den Weg für die Entstehung staatlicher Ausbildungsangebote. So wurde beispielsweise 1809 die erste Fabrikschule in Brasilien gegründet, die die Schüler anhand praktischer Arbeit und theoretischen Unterrichts ausbildete und sich über den Verkauf der während des Unterrichts entstandenen Produkte finanzierte. Durch diese Reformen blühte die Wirtschaft des bislang eher unbedeutenden südamerikanischen Landes schnell auf. Die englischen Kaufleute, die ihrer Absatzgebiete in Europa weitgehend beraubt worden waren, witterten ihre Chance und exportierten nun Waren vestärkt nach Brasilien. Dadurch konnte die Wirtschaft auf den britischen Inseln Napoelons Boykott zunächst entgehen, da die neuen Absatzgebiete in Südamerika die Ausfälle in Europa weitgehend kompensierten.

Die Situation verschärft sich abermals

Im Jahr 1810 verschärfte sich die Situation in Europa allerdings abermals. Napoleon hatte mit dem Dekret von Trianon (5. August 1810) sämtliche Kolonialwaren - natürlich mit Ausnahme der französischen - mit einem Zoll von bis zu 50% ihres Wertes belastet. Zusätzlich schrieb das Dekret von Fontainebleau (19. Oktober 1810) die öffentliche Verbrennung britischer Waren vor. Auch gegen Schmuggel wurde nun verstärkt durch Sondergerichte vorgegangen. Da viele Unternehmen aber auf englische Rohstoffe und Halbfertigwaren angewiesen waren und ohne diese Produkte nicht existieren konnten, verstärkte das stark verringerte Importaufkommen die Massenarbeitslosigkeit auf dem Kontinent und führte zum Ruin unzähliger Handelshäuser.

Die Verschärfung der Kontinentalblockade traf nun auch die englischen Kaufleute. Waren bislang viele Produkte über Umwege doch noch aufs Festland gelangt, so kam nun durch das rigorose Vorgehen der französischen Beamten der Handel mit dem Kontinent fast vollkommen zum Erliegen. Die Wirksamkeit der Blockade läßt sich gut am Beispiel des Amsterdamer Hafens darlegen. Brachten 1807 noch 192 Schiffe Güter im Gegenwert von 11 Millionen Gulden in die holländische Hauptstadt, so sank die Anzahl der Schiffe im Jahr 1808 auf 44 und 1809 auf 21. Im Jahr 1810 erreichten schließlich nur noch 5 Schiffe den Hafen und 1811 lief offiziell kein einziges Handelsschiff in den Amsterdamer Hafen ein. Erst 1814 kam der internationale Handel mit 3 amerikanischen Schiffen langsam wieder in Fahrt.

Übersättigung der Märkte in Südamerika

Gleichzeitig machte sich in Südamerika eine Übersättigung bemerkbar. In Folge der Umschichtung der Exporte von Europa nach Brasilien war der noch junge Markt mit englischen Produkten überschwemmt worden. Kurz vor dem Höhepunkt flossen innerhalb weniger Wochen mehr Waren aus England nach Brasilien, als in 20 Jahren (!) verbraucht werden konnten, darunter auch Produkte wie Schlittschuhe, die im sonnenverwöhnten Südamerika nur schwer abgesetzt werden konnten. Diese extrem übertriebenen Exporte nach Brasilien sorgten zunächst noch für volle Auftragsbücher in England. Dennoch spitze sich die Lage in England langsam zu.

Auch der Ausstieg Rußlands aus der Kontinentalsperre im Jahr 1810 konnte die drohende Rezession nicht mehr verhindern. Wie alle Länder in Europa war auch Rußland durch die Kontinentalsperre arg in Mitleidenschaft gezogen worden und benötigte dringend die Importe aus England. Zar Alexander erklärte deswegen 1810 seine Abkehr von Napoleon und verbot sogar den Import französischer Luxuswaren. Aber nur wenige englische Exporteure wagten zunächst - aufgrund befürchteter Überfälle durch französische Schiffe und der zu erwarteten Rache Napoelons an Rußland - die gefährliche Überfahrt in die Häfen der Ostsee.

Das System kippt

Im Herbst 1810 brachte eine unsichere politische Lage im britischen Empire das System schließlich zum Kippen. Zu dieser Zeit erlitt der englische König Georg III. Wilhelm Friedrich - nachdem sich bereits vorher Anzeichen von Geistesstörung bei ihm gezeigt hatten - einen schweren Rückfall. George III. war unfähig das Land weiter zu regieren. Sein Sohn, Georg IV August Friedrich, konnte aber, solange sein Vater nicht tot war, nicht die Regierungsgeschäfte übernehmen. Die Stimmung in Großbritannien war nun auf dem Tiefpunkt. Die Exporte nach Brasilien waren fast vollkommen zusammengebrochen und auch auf dem Kontinent gab es keine Abnehmer mehr. Zudem schürte die ernste politische Krise die Angst vor einem Überfall der Franzosen. Im Januar 1811 kam es schließlich zur "great panic" in Großbritannien. Vermehrt konnten Handelshäuser aufgrund der Exportausfälle ihren Zahlungsforderungen nicht mehr nachkommen. Aufgrund der herrschenden Unsicherheit, war aber niemand mehr bereit Schulden zu stunden oder neue Kredite zu gewähren, so dass die ersten Konkurse nicht lange auf sich warten ließen. Diese Bankrotte zogen wiederum andere eng verbundene Wirtschaftszweige in den Ruin. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Krise in England und stieß unzählige Farbriken, Banken und Kaufleute in den Abgrund. Auch in New York und - trotz der Blockade - in Hamburg standen in der Folge mehrere Kaufleute vor dem Aus, die enge Beziehung zur britischen Insel unterhalten hatten. Erst im Februar 1811 als Georg IV durch eine Dekret des Parlaments die Regierungsgeschäfte übernahm, beruhigte sich die Lage wieder.

Doch trotz der Schäden, die die Kontinantalsperre angerichtet hatte, brachte sie nicht nur Nachteile für Europa. Der Ausschluss der bis dato führenden Industriemacht England vom Marktgeschehen auf dem Festland, förderte die Entwicklung der kontinentaleuropäischen inländischen Industrie. Viele Länder und Städte waren nun auf sich alleine gestellt und versuchten die zuvor importierten Produkte selber herzustellen. Mit Beginn der Kontinentalsperre setzte eine Gründungswelle ein, die ab 1808 unzählige Betriebe und ganze Industriezweige schuf. Die getrennten Märkte (Festland und England) hatten letztendlich beide gelernt ohne die andere Seite auszukommen. Der Zusammenbruch der Kontinentalsperre und der Rückkehr des internationalen Handels führte deswegen im Jahr 1816/17 erneut zu einer schweren Wirtschaftskrise.


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