man lernt nie aus! Wer kennt diesen althergebrachten Spruch wohl nicht. Aufgrund meiner praktischen und akademischen Tätigkeit im Investmentbereich trifft dies für mich besonders zu. Und so richtig bewusst geworden ist mir dies erst jüngst wieder. Konkret wurde ich, zusammen mit einem weiteren Universitätsprofessor und einem ehemaligen Vorstand eines der größten deutschen Versorgungswerke, von einem Family Office beauftragt, eine fundierte Stellungnahme zu der Frage abzugeben, ob denn das Investieren in sogenannte Megatrends mithilfe von börsengehandelten Indexfonds (Exchange Traded Funds, kurz:
ETFs) sinnvoll sei.
Die dabei im Rahmen der Erstellung eines Kurzgutachtens gewonnenen Erkenntnisse sind aus meiner Sicht so interessant, dass ich die wichtigsten daraus mit Ihnen teilen möchte. Die Originalstudie mit sämtlichen Analyseergebnissen ist natürlich exklusiv dem beauftragenden Family Office vorbehalten. Einige Erkenntnisse sind jedoch so offensichtlich, dass man eigentlich alleine schon durch logisches Nachdenken darauf kommen kann.
Die Geschichte von ETFs
Bevor wir konkret in das Thema einsteigen, möchte ich noch kurz auf die historischen Wurzeln von ETFs eingehen, weil dies meines Erachtens für das Verständnis elementar wichtig ist. Die Wurzeln reichen zurück bis Mitte der Siebzigerjahre, als der Gründer der Investmentfirma Vanguard, John C. Bogle, den ersten auch für Privatanleger zugänglichen passiven Indexfonds auflegte [Anmerkung: Das Ziel dieses Fonds besteht darin, den S&P 500 Index möglichst genau und mit geringen Kosten abzubilden].
Entgegen den heute populären ETFs waren bzw. sind die klassischen Indexfonds nicht börsengehandelt, was für den Begründer der passiven Indexfonds John C. Bogle einen entscheidenden Vorteil darstellt. Hierzu muss man wissen, dass Bogle ein absoluter Verfechter des langfristigen Investierens war, worin ich ihm auch bedingungslos zustimme [Anmerkung: Siehe hierzu mein vorangegangenes Editorial „
MSCI World, Dax & Co. – Jetzt sofort einsteigen oder doch lieber …?“]. Laut Bogle verführt der Börsenhandel Anleger dazu, kurzfristig zwischen verschiedenen Investments (z.B. Fonds) hin und her zu springen, was wissenschaftlich nachgewiesen zu einer suboptimalen Performance führt (und das nicht nur wegen der damit einhergehenden Transaktionskosten).
In den USA wurde der erste ETF 1993 gehandelt. Hierbei handelt es sich um den „Standard & Poor’s Depositary Receipt“ (SPDR), der den S&P 500 Index abbildet. Wie die Geschichte dann weiter ging, wissen Sie vermutlich. Es wurden immer mehr ETFs auf bekannte, zumeist marktkapitalisierte Indizes (z.B. MSCI World, FTSE 100, Dax usw.) aufgelegt, die aufgrund ihrer vergleichsweise geringen Managementvergütung auch großen Zuspruch bei den Anlegern fanden bzw. immer noch finden.
Und was tut sich aktuell am ETF-Markt?
Da der Markt mittlerweile mit zahlreichen ETFs auf sämtliche großen und bekannten Marktindizes mehr als gesättigt ist, hat sich die ETF-Industrie auf die Suche nach neuen Marktlücken begeben. Und hierzu gehören insbesondere auch sogenannte Megatrend-Themen, wie z.B. AI & Big Data, Biotechnologie, Blockchain, Digital Security, Futures Mobility oder auch ganz aktuell Rüstung/Verteidigung und Quanten-Computing.
Aus Sicht der emittierenden Fondsgesellschaft weisen solchen Themen- bzw. Spezialitäten-ETFs den zentralen Vorteil auf, dass sich damit höhere Gebühren durchsetzen lassen als mit ETFs auf breite und bekannte Marktindizes.
Wie ein Blick auf spezialisierte Internetportale und auch in die Finanzpresse zeigt, scheinen Themen- bzw. Megatrend-ETFs schon seit geraumer Zeit eine wahre Boom-Phase zu durchlaufen. Mit sogenannten Rüstungs- bzw. Verteidigungs-ETFs wurde beispielsweise zeitnah auf die zugenommenen geopolitischen Spannungen reagiert, und auch das Thema Quanten-Computing scheint aktuell ganz oben zu stehen.
Sind ETFs wirklich geeignet, um in Megatrends zu investieren?
Bei der Erstellung unserer Beurteilung von ETFs als Anlageinstrument für Megatrend-Investments sind wir unter anderem auf eine interessante Studie des Finanzinformations- und Analyseunternehmens Morningstar gestoßen, die zeigt, dass im Jahre 2023 in den USA in etwa genauso viele Themen-ETFs wieder vom Markt genommen wurden wie neue hinzugekommen sind. Und im ersten Halbjahr 2024 überstieg die Anzahl an Fondsschließungen bei Themen-ETFs jene der Neuauflagen deutlich! Das sind Zahlen, die man in den Hochglanz-ETF-Magazinen so nicht findet. Und dieses Ergebnis wird auch in diversen wissenschaftlichen Studien bestätigt.
Denkt man logisch darüber nach, dann lässt sich auch plausibel erklären, warum das so ist. Im Vergleich zu klassisch aktiv verwalteten Fonds weisen ETFs (auch Themen-ETFs) deutlich geringere Management-Gebühren auf. Damit sich die Auflage eines ETFs für eine Fondsgesellschaft lohnt, muss dieser – bei den vergleichbar geringen Fees – ein enorm hohes Volumen aufweisen, was für Mainstream-ETFs, wie z.B. ETFs auf den MSCI World oder auch den S&P 500 Index, kein Problem darstellt. Aber genau das ist der „Casus knacksus“ bei Megatrend-ETFs, die sich auf ein ganz spezielles, eng abgegrenztes Thema fokussieren. Dass sich bei speziellen Themen-ETFs etwas höhere Fees am Markt durchsetzen lassen als bei gängigen ETFs auf breite und bekannte Marktindizes ist dabei nicht wirklich eine Lösung des Problems. Letztendlich führen die überschaubaren Fonds-Volumen in Kombination mit in Summe immer noch zu geringen Management-Fees dazu, dass sich hochgradig spezialisierte Themen-ETFs für die Fondsgesellschaft nicht rentieren, was wiederum dazu führt, dass sie entweder vom Markt genommen werden oder eine Verschmelzung mit einem anderen Fonds erfolgt.
Und auch das ist ein Problem von Rüstungs-ETFs & Co. …
Aber es besteht noch ein weiteres Problem bei Themen-ETFs. Im Rahmen einer von uns durchgeführten empirischen Analyse wurde die Rendite eines Portfolios bestehend aus gleichgewichteten Themen-ETFs mit gängigen Marktindizes verglichen (konkret: dem MSCI World Index, dem Nasdaq 100 Index sowie dem MSCI World Information Technology Index). Dabei zeigte sich, dass dieses gleichgewichtete Themen-Portfolio, bei teilweise höheren Risiken, eine geringere Rendite als all diese Benchmark-Indizes aufwies. Dieses Ergebnis war für mich, ehrlich gesagt, doch sehr überraschend.
Eine plausible Erklärung für dieses unerwartete Resultat liefert die beeindruckende Studie von Ben-David, Franzoni, Kim und Moussawi mit dem Titel „Competition for Attention in the ETF Space“, erschienen 2023 im renommierten Review of Financial Studies. Die Autoren konnten nachweisen, dass die Auflage von Themen-ETFs tendenziell zu spät erfolgt, was bedeutet, dass die Trends bereits voll am Laufen sind bis die ETFs am Markt angeboten werden. Und auch dieser Befund ist einleuchtend. Es ist nachvollziehbar, dass eine Fondsgesellschaft erst dann einen ETF auf ein bestimmtes Thema auflegt, wenn sich klar herauskristallisiert hat, dass dieses in Form eines potenziellen Megatrends eine entsprechende Nachfrage hervorrufen wird. Aber dann ist es aus Performance-Sicht eben häufig schon zu spät …
Lernen, lernen, lernen …
Zusammenfassend kann ich festhalten, dass die Erstellung dieses Kurzgutachtens sehr lehrreich für mich war und ich mittlerweile eine klare Meinung zu dem oftmals gehypten Thema „Megatrend-ETFs“ besitze. Ich habe in der Tat wieder einiges dazugelernt, was mir im Vorhinein gar nicht so klar war. Sollten auch Sie bestrebt sein, Ihr Wissen rund um die Kapitalanlage laufend zu erweitern, dann kann ich Ihnen den kostenlos und völlig unverbindlich erhältlichen „
Leitfaden für Ihr Vermögen“ nur empfehlen, der aktuell bereits in der 61. Auflage verfügbar ist. Diese wirklich tolle Publikation (mit mittlerweile „Kultstatus“) können Sie unter diesem
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In diesem Sinne hoffe ich, dass auch Sie mit diesem Editorial wieder etwas dazulernen konnten. Wer sich aktiv mit dem Thema Kapitalanlage beschäftigt, der lernt in der Tat nie aus. Und sollten Sie auf einen persönlichen fachlichen Austausch mit mir Lust haben, dann lade ich Sie sehr gerne zu einem unserer nächsten
Rosenheimer Investorenabende (z.B. schon am 24. Juli) ein. Ich würde mich auf alle Fälle freuen.
Auf bald,
Ihr Hubert Dichtl