General Electric +7 Prozent: Erst Abstieg, dann Aufholjagd?

Mittwoch, 27.06.18 14:58
Die General Electric-Aktie schnellte im gestrigen Handel um rund sieben Prozent nach oben. Und das ausgerechnet am ersten Handelstag nach dem Abstieg des Mischkonzerns aus dem Dow Jones-Index, zu dessen Familie GE seit 1907 zählte. Ein historischer Abschied oder ein vielversprechender Neuanfang? Mit einer validen Antwort auf diese Frage sind sogar die meisten Marktbeobachter überfordert. Zu viele „Baustellen” zählt das einstige Gründungsmitglied des Dow Jones. Zu viele Fragen nach General Electrics Zukunftsfähigkeit bleiben noch unbeantwortet. Doch wie kam es überhaupt dazu, dass das einstige Aushängeschild der US-Industrie nach 111 Jahren aus dem „Industrial” fliegt und von der Apothekenkette Walgreens abgelöst wird?

Das Ende der Old Economy?

Mit General Electric verschwindet nicht nur ein Dow Jones-Urgestein aus dem Index - der Abstieg der einstigen Industrieperle steht für viele symbolisch für das Ende der Old Economy. Der Begriff New Economy wird seit der gleichnamigen Börsen-Blase zwar nur zögerlich verwendet, trifft aber dennoch zu: seit den 80er-Jahren verschwinden immer mehr Industriekonzerne aus dem Dow Jones Industrial Average. Seit dem Ausscheiden von GE sind nur noch fünf von 25 Werten diesem Segment zugeordnet: Caterpillar, Boeing, 3M, United Technologies und DuPont. Die überwiegende Mehrheit im bekanntesten, amerikanischen Börsenindex stellen mittlerweile Tech-, Finanz-, Konsumgüter- und Pharmawerte.

Eine lange Firmentradition ist eben kein Garant für langfristigen Erfolg, wie am Beispiel von General Electric, dessen Ursprünge als Glühbirnen-Erfinder bis ins Jahr 1878 zurückreichen, deutlich wird. Unternehmen der New Economy sind größtenteils flexibler aufgestellt, spezialisierter und innovativer als schwerfällige „Lokomotiven”. Mit einer Ausnahmen: dem boerse.de-Aktienbrief-Champion 3M. Der Mischkonzern hinter weltbekannten Marken wie Scotch und Post-it zählt zu den wenigen Industrie-Perlen im Dow Jones, die sich über Jahrzehnte hinweg aufgrund ihrer enormen Innovationskraft behaupten konnten. Der Vergleichschart zwischen General Electric und 3M zeigt deutlich, dass sich der Niedergang von GE schon früh ankündigte. Ganz im Gegensatz zu 3M, die ganz offensichtlich die „Kurve” gekriegt haben.
 

Vom Gemischtwarenladen zum Spezialisten

General Electric unterlag nicht nur den Vertretern der New Economy, sondern muss sich einige „hausgemachte” Fehler eingestehen. 2002 war GE das wertvollste Unternehmen der Welt. Noch vor zwei Jahren sicherte sich der Mischkonzern einen Platz unter den zehn höchstbewerteten Konzernen rund um den Globus. Jetzt reicht es nicht mal mehr für eine Position in den Top 150.
 
Wie konnte es so weit kommen? Marktbeobachter sehen zwei Gründe für den Abstieg von GE: den Wandel der amerikanischen Wirtschaft, sowie schwerwiegende Managementfehler. Im Gegensatz zu Google-Mutter Alphabet oder Amazon war General Electric lange Zeit ein Gemischtwarenladen. Züge, Versicherungen, Medizintechnik, Energie, Glühbirnen und Gasturbinen - das Firmenimperium war zu komplex, groß, schwerfällig. Oder wie Warren Buffett es formulierte: Er sei zwar nach dem Kurssturz der vergangenen Jahre in der Lage, GE komplett zu übernehmen, doch verstehe er das Geschäftsmodell des Konzerns nicht.

Höchste Zeit, die Reißleine zu ziehen. Firmenchef John Flannery initiierte schon kurz nach seinem Amtsantritt 2017 ein gewaltiges Kostensenkungsprogramm und trennte sich von Verlustbringern wie der Zugsparte und dem Elektroteile- und Stromaggregat-Geschäft. Mit bescheidenem Erfolg: Innerhalb der vergangenen zwölf Monate verlor die GE-Aktie rund 55 Prozent an Wert. Auf Sicht von zehn Jahren steht ein Minus von 40 Prozent. Was blieb, war die gestern verkündete Radikalkur: General Electric zieht sich aus den drei großen Branchen Öl, Gas und Gesundheit zurück und konzentriert sich auf die Sparten Luftfahrt und Energie. Ob diese späte Fokussierung möglicherweise zu spät kommt? Halten wir es besser mit dem Slogan des Industrieriesen: „Imagination at work” („Phantasie bei der Arbeit”). Die Realität könnte bitter aussehen…

Ich wünsche Ihnen einen entspannten, erfolgreichen Börsentag,

Ihre Miss boerse.de
 
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