Neben zahlreichen, spannenden Börsengängen aus der Heimat, wagen sich 2020 möglicherweise auch in anderen Ländern Europas deutlich mehr Börsennovizen aufs Parkett, als im Vorjahr. Der Grund: Aufgrund der zahlreichen, wirtschaftspolitischen Unsicherheitsfaktoren, sowie den immer wieder laut werdenden Rezessions-Gerüchten, legten viele Firmen vergangenes Jahr ihre Börsenpläne auf Eis. Der Emissions-Jahrgang 2019 war deshalb der schlechteste seit der Finanzkrise 2009, wobei der Wert neu ausgegebener, deutscher Aktien laut einer Studie der Beratungsfirma Kirchhoff Consult im Jahresvergleich um fast 70 Prozent gefallen war. 2018 wurden noch 16 Börsengänge mit 11,6 Milliarden Euro, 2019 nur drei mit einem Emissionsvolumen von 3,6 Milliarden Euro gezählt.
Infolge des Einbruchs im vergangenen Jahr bildete sich ein “IPO-Backlog”, den es 2020 abzuarbeiten gilt. Bleibt nur die Frage, welche in Europa ansässigen Unternehmen tatsächlich den Sprung aufs Handelsparkett wagen werden...
Drei europäische IPO-Kandidaten
Starten wir mit dem vielleicht größten Chemie-Börsengang aller Zeiten: Der Schweizer Pestizid-Hersteller Syngenta, der vor rund drei Jahren für 45 Milliarden Dollar von ChemChina aufgekauft wurde, soll Mitte 2020 an die chinesische Tech-Börse STAR Market gehen. Auch ein Listig in Zürich steht zur Diskussion. Hintergrund der IPO-Vorbereitungen ist die 2016 angebahnte, aber noch nicht umgesetzte Mega-Fusion mit dem staatlichen Konkurrenten Sinochem. Bevor es so weit ist, muss das mittlerweile hoch verschuldete, von der chinesischen Mutterfirma “ausgehöhlte” Unternehmen Syngenta aber wieder salonfähig gemacht werden. Keine leichte Aufgabe, denn zum einen ist das Marktumfeld in der Chemiebranche eine Herausforderung, zum anderen rufen Pestizide immer mehr Naturschützer auf den Plan, die das Investoren-Sentiment negativ beeinflussen könnten.
Zurück zur Natur: Sativa, ein britischer Hersteller von CBD und medizinischem Cannabis, plant Anfang 2020 ein Listing am AIM-Wachstumssegment der Londoner Börse. Für das Unternehmen Sativa Group PLC, dessen Aktien bereits am weniger regulierten und bekannten NEX gehandelt werden, wäre dies ein strategisch wichtiger Schritt. Schließlich gilt es, europäische Investoren im großen Stil vom möglichen Wachstumsmarkt medizinisches Cannabis zu überzeugen. In Kanada und den USA, wo THC-haltige Produkte auch für den Freizeitgebrauch zugelassen sind, haben Aktien von Unternehmen wie Canopy Growth oder Aurora Cannabis jedoch einige “Highs” - und Lows hinter sich. Wobei manche Marktbeobachter sogar vom “Platzen einer Cannabis-Blase” sprechen. Ob Sativa’s möglicher IPO eine anhaltende Börsen-Euphorie auslösen wird, mag bezweifelt werden.
Mit einer möglichen Bewertung von bis zu 3,2 Milliarden Pfund wäre der Börsengang von Deliveroo ein “großer Brocken”. Momentan häufen sich die Gerüchte, dass der britische Essens-Lieferdienst 2020 sein IPO plant - ein Datum steht jedoch noch nicht fest. Ob und wann Deliveroo Neuemissionen liefert, wird möglicherweise von einem mächtigen Investor abhängen: Amazon wollte bereits im Mai 2019 für rund 575 Millionen Dollar bei dem Start-up einsteigen. Die britischen Wettbewerbshüter äußerten jedoch Bedenken und stellten beiden Parteien eine Frist bis Mitte Dezember 2019, um die Vorbehalte zu zerstreuen. Da sich aber weder Deliveroo noch Amazon äußerten, wird sich die Entscheidung der Kartellbehörde um bis zu sechs Monate verzögern. Vom Ausgang der Untersuchung wird dann auch die weitere IPO-Planung des Essens-Lieferdienstes abhängen.
Amazon investiert also (möglicherweise) in Deliveroo. Stellt sich die Frage, in welchen Titel Anleger investieren sollten: in die verlässlich sprudelnde Geldquelle (Amazon) oder das riskante Start-up (Deliveroo)? Ich denke, die Antwort ist relativ einfach und lässt sich pauschal auf alle Börsen-Neulinge übertragen: Investieren Sie in langfristig erfolgreiche Champions-Aktien, wie beispielsweise Amazon, die über eine hervorragende Wettbewerbsposition und gut gefüllte Kassen verfügen. Zwei Attribute, die sich auch für Anleger dauerhaft “bezahlt machen”. Sehen Sie IPO-Investments dagegen als spekulatives Abenteuer mit ungewissem Ausgang, das deshalb höchstens als Depotbeimischung in Frage kommt.
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